KI bietet enormes Potenzial – doch wie finden NPO die richtigen Anwendungsfälle?
Eine zentrale Frage, wenn sich NPO mit Künstlicher Intelligenz (KI) beschäftigen, ist die nach den konkreten Anwendungsfällen (Use Cases). In unserem 12-Schritte-Leitfaden zur KI-Integration erfolgt der Einstieg ins Thema über den Wissensaufbau (Schritt 1), die Klärung von Herausforderungen und Zielsetzungen (Schritt 2) sowie mit Schritt 3 die Identifikation relevanter Use Cases.
Das Vorgehen erfolgt dabei nicht streng linear, sondern umfasst auch iterative Schleifen. Dabei gilt: Wer sich frühzeitig auf die Lernreise mit einer Mischung aus Systematik und Experimentierfreude begibt erkennt schnell, wo Potenziale liegen. Denn KI ist kein kurzfristiger Hype, sondern ein langfristiger Wandel, der auch die Arbeitsweise von NPO verändern wird.
Doch wie findet man die für sich passenden, mehrwertstiftenden Anwendungsfälle? Hierfür existieren verschiedene Methoden, wie beispielsweise Prozessanalyse oder Stakeholder Journey Mapping. Ein Blick auf bestehende Praxisbeispiele anderer Organisationen ist oft der schnellere, praxisnähere und inspirierendere Weg als alles selbst neu zu erfinden. Je mehr man beobachtet, desto mehr lernt man dazu. Zwei besonders praxisnahe Methoden zur Ideenfindung sind Innovation Scouting und der Best-Practice-Radar.
KI-Technologien für NPO: Wann lohnt sich ein KI-Tool?
Nicht jede digitale Lösung braucht Künstliche Intelligenz. Oft reicht ein gutes, klassisches digitales Tool. Wichtig ist, zu unterscheiden:
Technologie | Was sie kann | Beispiele | Wann sinnvoll? |
---|---|---|---|
Digitales Tool | Feste Regeln, kein Lernen | Online-Terminplaner, Umfragetool | Wenn Prozesse klar und stabil sind |
KI (Machine Learning) | Erkennt Muster, lernt aus Daten | Prognose-Tools, intelligente Chatbots | Wenn Flexibilität und Skalierung gefragt sind |
Generative KI | Erzeugt neue Inhalte | ChatGPT, DALL·E | Für Texte, Ideen, Beratung, kreative Prozesse |
Digitale Tools, Machine Learning und Generative KI unterscheiden sich stark in Funktion und Komplexität. Entscheidend ist nicht, wie «smart» ein Tool ist, sondern ob es zum konkreten Problem passt. Viele digitale Anwendungen beruhen auf klar regelbasierter Automatisierung – KI ist dabei oft (noch) gar nicht nötig.
Praxis-Tipp: Entscheidend ist nicht, ob eine Anwendung «KI» nutzt – sondern ob sie für Ihre Herausforderung den grössten Mehrwert generiert.
Zwei Methoden, wie NPO KI-Anwendungen gezielt entdecken
Innovation Scouting und Best-Practice-Radar sind zwei eng verwandte Methoden, die unterschiedliche Zugänge zu neuen (KI-)Ideen bieten:
Methode | Ziel | Fokus | Typische Quellen |
---|---|---|---|
Best-Practice-Radar | Lernen von etablierten Lösungen | Bewährte, dokumentierte Anwendungen | Branchenreports, Praxisbeispiele, Pilotprojekte |
Innovation Scouting | Lernen aus innovativen Analogien | Neuartige, oft branchenfremde Ansätze | Start-ups, Forschung, Experimente, Trendbeobachtung |
Gemeinsamkeiten: Beide Methoden helfen NPO dabei, neue Ideen zu generieren, indem sie systematisch externe Impulse nutzen. Sie fördern eine lernorientierte Kultur und ermöglichen es, Risiken zu minimieren, weil bestehende Erfahrungen einfliessen.
Unterschiede: Während der Best-Practice-Radar eher auf Nachvollziehbarkeit und bewiesene Wirksamkeit setzt, ist Innovation Scouting mutiger: Es sucht Inspiration auch ausserhalb des eigenen Sektors – in Bereichen, wo kreative Lösungen entstehen, die sich adaptieren lassen.
Je nach Zielsetzung, Reifegrad und Ressourcen kann die eine oder andere Methode geeigneter sein – auch in Kombination. Entscheidend ist, dass sie eingebettet sind in einen zielgerichteten, strukturierten KI-Integrations-Prozess.
Folgende Beispiele zeigen schön, wie NPO ganz konkret von bewährten Lösungen und innovativen Analogien profitieren können. Die ausgewählten Praxisbeispiele machen deutlich, wie sich Ideen in reale Use Cases übersetzen lassen – und wo sich der Einsatz von KI (oder auch digitaler Tools) im Nonprofit-Alltag besonders lohnt.
Sind Sie an unseren Praxiserfahrungen interessiert?
In unserem Blog teilen wir in regelmässigen Abständen unsere Erfahrungen aus Kundenprojekten.
KI in Sozialunternehmen: Drei Best-Practice-Beispiele
Innerhalb des NPO-Sektors gibt es bereits viele erprobte Anwendungen.
1. Digitale Einsatzplanung – auch ohne KI hilfreich
Ein digitales Planungstool für Schichtdienste kommt in einer kleineren Sozialeinrichtung zum Einsatz. Die Software berücksichtigt fixe Regeln (z. B. gesetzliche Ruhezeiten) und vereinfacht die Erstellung von Einsatzplänen.
Hinweis: Es handelt sich um ein klassisches Automatisierungstool – ganz ohne KI, aber mit grossem Nutzen: Reduziert den Administrationsaufwand, verbessert die Verlässlichkeit, spart Zeit.
2. Klientendokumentation mit KI-Unterstützung
Ein grosses Sozialunternehmen setzt KI-basierte Spracherkennung zur Dokumentation von Fallbesprechungen ein. Die KI transkribiert, filtert relevante Inhalte und erstellt automatisch strukturierte Notizen. So bleibt den Fachpersonen mehr Zeit für den direkten Kontakt mit den Klient:innen.
Hinweis: Technisch handelt es sich um regelbasierte Automatisierung kombiniert mit Spracherkennung – ohne generative KI.
3. Automatisierte Einsatzplanung mit Machine Learning
In einem Pilotprojekt wird Machine Learning eingesetzt, um die Dienstplanung in einer Institution für Menschen mit Beeinträchtigungen zu optimieren. Die Software berücksichtigt Verfügbarkeiten, rechtliche Vorgaben, individuelle Bedürfnisse der Klient:innen wie Präferenzen der Mitarbitenden – und schlägt passende Pläne vor.
Hinweis: Das System lernt aus früheren Dienstplänen und verbessert kontinuierlich seine Vorschläge – ein klarer Mehrwert durch KI.
Innovation Scouting: Vier inspirierende KI-Beispiele für NPO
Neben etablierten Best Practices lohnt sich der Blick auf innovative Ansätze aus anderen Kontexten.
1. KI für digitale Seelsorge & mutige Positionierung: Der Jesus-Avatar
Ein gemeinsames Projekt einer Hochschule mit einer Kirche untersuchte den Einsatz eines KI-gestützten Avatars, der in der Rolle von «Jesus» auf Sinn- und Glaubensfragen antwortete. Das Projekt war als künstlerisch-wissenschaftlicher Impuls gedacht – und löste breite mediale Diskussionen aus.
Für NPO zeigt das Beispiel, wie KI neue Formen der Begleitung, Ansprache und Seelsorge ermöglichen könnte – etwa in Chat-basierten Unterstützungsangeboten für junge Menschen oder in der niederschwelligen Erstberatung.
Gleichzeitig zeigt das Projekt, wie Organisationen sich mit innovativen KI-Formaten modern und öffentlichkeitswirksam positionieren können – ohne bereits ein voll ausgereiftes Angebot zu haben. Eine wichtige Analogie für alle NPO, die mutig Pilotprojekte als Teil ihrer Markenentwicklung verstehen.
2. KI für mehr Effizienz in der Versorgung: Das REIF-Projekt
Das Forschungsprojekt REIF (Ressourceneffiziente KI-basierte Produktion zur Vermeidung von Lebensmittelverschwendung) zeigt, wie KI dazu beitragen kann, Überschüsse in der Lebensmittelproduktion frühzeitig zu erkennen und gezielt zu verteilen. Ziel ist es, mithilfe von KI-Modellen Produktionsprozesse, Nachfrageprognosen und Verteillogistik so zu steuern, dass weniger Lebensmittel verschwendet werden – entlang der gesamten Wertschöpfungskette vom Produzenten bis zum Handel.
Für NPO im Bereich Sozialversorgung liefert das Projekt wichtige Impulse: Lebensmittelspenden, Kleider oder andere Hilfsgüter können bedarfsgenauer geplant und verteilt werden. Auch mobile soziale Angebote oder Transportdienste profitieren durch die Vermeidung von Leerfahrten.
REIF zeigt nicht nur, wie durch den Einsatz datengetriebener KI-Lösungen logistische und operative Prozesse smarter gestaltet werden können. Das Projekt liefert gleichzeitig eine Analogie dafür, wie Organisationen mit gesellschaftlicher Mission den verantwortungsvollen Einsatz von KI mit klarer Wirkung verbinden – ein zukunftsweisender Weg für viele NPO.
3. KI für mehr Inklusion im Alltag: Die Plattform Be My Eyes
Die App Be My Eyes unterstützt blinde und sehbehinderte Menschen im Alltag – ursprünglich durch die Verbindung mit sehenden Freiwilligen, die per Videoanruf live Unterstützung leisten (z. B. beim Erkennen von Farben, Ablesen von Etiketten oder Navigieren in unbekannten Umgebungen). Seit 2023 integriert die Plattform zusätzlich eine KI-basierte visuelle Assistenzfunktion, die Bilder analysiert und kontextbezogene, gesprochene Beschreibungen liefert – ganz ohne menschliche Unterstützung.
Für NPO im Bereich Inklusion ein starkes Beispiel für digitale Selbstermächtigung: Sprachgesteuerte Tools, Assistenzsysteme oder visuelle Unterstützung können auch in Wohneinrichtungen, Ausbildungsbetrieben oder Beratungsstellen sinnvoll integriert werden.
4. KI-basierte Unterstützung in der psychischen Gesundheit: Wysa
Die App Wysa nutzt KI, um Menschen mit psychischer Belastung eine erste, anonyme und jederzeit verfügbare Gesprächsmöglichkeit zu bieten. Das System basiert auf Natural Language Processing und bietet Übungen zur Selbsthilfe sowie bei Bedarf die Weiterleitung an menschliche Fachpersonen.
Für NPO im psychosozialen Bereich ist Wysa ein konkretes Beispiel, wie KI zur Entlastung von Fachkräften beitragen kann – und gleichzeitig Betroffenen einen niedrigschwelligen Einstieg in die Hilfe ermöglicht. Solche Systeme lassen sich auch in anderen Kontexten adaptieren, etwa in der Suchtberatung, Familienbegleitung oder bei Fragen rund um Wohnen und Arbeit.
Fazit: Wie NPO KI-Potenziale Schritt für Schritt nutzen
Ob etablierte Anwendungen aus dem eigenen Feld oder mutige Impulse aus anderen Sektoren – wer systematisch beobachtet, reflektiert und kombiniert, findet schneller passende KI-Anwendungsfälle. Innovation Scouting und Best-Practice-Radar helfen NPO, konkrete Potenziale zu erkennen, Wissen gezielt zu übertragen und daraus Schritt für Schritt praxistaugliche Lösungen zu entwickeln.
Einige Beispiele dieses Beitrags erscheinen in gekürzter Form auch im Fachartikel «Vom Ziel zum Nutzen – So finden NPO KI-Use Cases mit Mehrwert», erschienen in VM – Zeitschrift für Verbands- und Nonprofit-Management, Ausgabe 1/2025.
Nächste Schritte für Ihre KI-Anwendungsfälle im NPO-Alltag
Künstliche Intelligenz verändert, wie wir arbeiten, kommunizieren und helfen. Gerade im NPO-Bereich braucht es dafür mehr als Technik: Es braucht Orientierung, Mut – und starke Partner. Wir unterstützen Sie dabei, die richtigen Fragen zu stellen, erste Use Cases zu entwickeln und geeignete Technologiepartner oder Hochschul-Kollaborationen (z. B. mit ETH) gezielt einzubinden.
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